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Die Auswanderer (2.8.07)

Rubrik:

Festzug

Herausgeber:

Gemeinde Oftersheim - Festausschuss

Die Auswanderer

 

Ein historischer Festzug muss u.a. auch an Hungerjahre und Notzeiten erinnern. Letzte Hoffnung auf ein besseres, menschenwürdigeres Leben sahen die in Armut lebenden Dorfbewohner in manchen Zeiten nur in einer Auswanderung mit all ihren Unwägbarkeiten. In der „Heimatchronik“ von Franz Volk und im Heimatbuch „Streifzüge durch die Geschichte eines kurpfälzischen Dorfes“ von Karl Frei wird darüber interessant berichtet.

Im 18. Jahrhundert glänzte auf der einen Seite das Schloss in Schwetzingen mit seinem illustren Hofleben, während andrerseits dessen Schatten schwer auf Volk und Land lastete. In Nachbardörfern trat immer stärker Armut zu tage. Die Bauern wurden oft über Gebühr zu Frondiensten herangezogen und mit unerträglichen Steuerlasten bedrückt. Den Bewohnern standen wenig staatsbürgerliche Rechte zu; die Not belastete schwer. Mit der Verlegung des Hofes nach München 1778 ging manchen Brot und Arbeit verloren.

Einer Missernte 1782 folgte ein Hungerjahr und 1784 vernichtete Hochwasser die Wintersaat. Der Überlebenskampf hatte eine Auswanderungswelle zur folge. Verlockende Angebote gab es u.a. von Zarin Katharina II. zur Besiedlung des unteren Wolgasteppengebietes. König Friedrich II. hatte 1764 die „preußischen Lande“ geöffnet und Kaiser Josef II. von Österreich lockte nach Galizien/Ungarn (das Banat und die Batschka).

Von einer zweiten Auswanderungswelle aus dem Südwesten ist von 1810 bis 1819 zu lesen. Kriegsnöte und Missernten waren die Ursachen. Im Jahre 1817 wurden von den großherzoglichen Speichern Brot- und Saatgetreide an die Not Leidenden ausgegeben, was mit einer Rückgabeverpflichtung nach der nächsten Ernte verbunden war. Amerika lockte. Die Regierung warnte. Bei Nacht und Nebel verließen die Auswanderungswilligen mit kleinen Handwagen und zu Fuß ihr Dorf. Ziel waren die Auswandererschiffe, in die sie oft nach monatelangem Warten eingepfercht wurden. Viele gingen jämmerlich zu Grunde und sahen das Land der Freiheit nicht. Nicht weniger gefahrvoll war die Ausreise nach Russland (zu Fuß nach Ulm, von dort mit dem Schiff auf der Donau über Wien nach Ismail oder Galatz). Auch von 1847 bis 1857 ist von einer Ausreisewelle die Rede. Ursache in unserem Raum war weniger die gescheiterte Badische Revolution von 1848/49, sondern eine erneut durch Missernten hervorgerufene wirtschaftliche Not. Im Jahre 1847 sei die Ernte nach bäuerlicher Überlieferung so schlecht ausgefallen, dass nicht einmal die Saatkartoffeln geerntet wurden und das Korn von einem Viertel Land (9 Ar) bequem in einem Brotkasten Platz gefunden hätte. Das Bettelunwesen habe wieder denselben Umfang angenommen wie zu Karl-Theodors Zeiten. Dabei ist festgehalten, dass sich in Oftersheim in den vorangegangenen Jahren durch Tabak und Hopfenbau ein stets wohlhabender gewordener Bauernstand entwickelt habe , dem ein weitgehend verarmter, oft Not leidender Bevölkerungsteil gegenüberstand.

 
Im Gegensatz zu früher wurde in dieser Notzeit die Auswanderung vom Staat und den Gemeinden gefördert. Man fand es billiger, die Ortsarmen mit Hilfe der Gemeinde ins Ausland abzuschieben, als diese jahre- oder oft jahrzehntelang auf Gemeindekosten zu unterhalten. Die Ursachen von Auswanderungswellen waren immer gleich: Missernten, Not, Armut, Aussichtslosigkeit. Abgemagert und mit wenig Hab und Gut auf dem Rücken oder mit kleinem Wagen verließen die Menschen ihren Heimatort und gingen einer ungewissen Zukunft entgegen.
 
Die Festzugsgruppe „Die Auswanderer“ wird von der Sportgemeinschaft SG gestaltet, die bestimmt für einen geschichtlich nachvollziehbaren Eindruck sorgen wird.